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Inden-Pier, NRW


Das metallzeitliche Gräberfeld Inden-Pier

Ansprechpartner: Prof. Dr. Thomas Stöllner



Im Westen von Nordrhein-Westfalen, unweit der niederländischen Grenze, liegt das rheinische Braunkohletagebaurevier. Durch die jahrzehntelange Öffnung des Bodens und den Abbau der Braunkohle, ist es nicht verwunderlich, dass eine große Vielfalt an archäologischen Funden und Befunden zu Tage trat. Neben den zu erwartenden Befunden mittelalterlicher und römischer Besiedlung, fanden sich auch noch weit ältere, zum Teil neolithische Fundstellen. 

Doch die Funde aus dem südwestlich gelegenen Tagebau Inden-Pier, bringen Licht in eine bisher unterrepräsentierte Zeitstellung: Die Metallzeiten.



Lage des Grabungsareals.
© LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland, Außenstelle Titz

„Metallzeit“ ist ein Sammelbegriff für die Epochen der Bronze- und Eisenzeit und beschreibt einen Zeitraum von ca. 2000 Jahren, vor der bzw. bis zur Zeitenwende. Die Funde des Gräberfeldes Inden-Pier decken vor allem den Zeitraum von der späten Bronzezeit bis in die mittlere Eisenzeit (~ 1200 v. Chr. – 400 v. Chr.) ab, mit Ausreißern, die bis an den Beginn der römischen Besiedlung im Rheinland heranreichen. Die vornehmliche Bestattungsart der damaligen Zeit ist die Brandbestattung.



Gräberfeldplan mit Grabungsstand 2020.
© LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland, Außenstelle Titz

Das Gräberfeld Inden-Pier stellt mit einer beeindruckenden Länge von mittlerweile 2,5 km in NW-SO Ausrichtung und seinen bisher rund 1600 Befundstellen eines der größten Gräberfelder in ganz Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus dar. Eine Besonderheit dabei ist, der große Variantenreichtum der Gräber. Zwar überwiegen Urnengräber (1032), aber eine große Fülle von Brandgruben und Leichenbrandnestern (294), Kreisgräben (280), Langgräben und Einhegungen (35) bieten viel Raum für eine Interpretation der Bestattungspraktiken und ihrer Veränderung im Laufe der Zeit. Für ein Verständnis der Bestattungssitten und Siedlungsdynamik der Metallzeiten ist Inden-Pier somit ein ausgesprochen wichtiger Befund. Zusammen mit dem im Süden anschließenden, zeitgleichen Urnengräberfeld von Düren-Merken könnte es sich hier um einen für die rheinische Bördenlandschaft außergewöhnlichen, vielleicht von verschiedenen Gemeinschaften genutzten Begräbniskomplex handeln.


Arbeitsweise


Rettungsgrabungen im Bereich des Gräberfeldes.
© LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland, Außenstelle Titz

Die Urnen wurden 2016 in einer Rettungsgrabung mit dem sie umgebenden Lösssediment geborgen, liegen also ‚en bloc‘ vor. Seit 2016 wurden bereits unabhängig von diesem Stiftungsprojekt Urnen bearbeitet.

Die momentane Arbeitsweise verfolgt zwei Ziele.

  1. Die Aufnahme der bisher bearbeiteten Urnen in die Datenbank
  2. Die Weiterführung der Bearbeitung und Auswertung der restlichen Urnen

Während die Urnen aus dem Bearbeitungszeitraum ab 2016 der Ausgrabungsreihenfolge folgten, wird die Bearbeitung der „neuen“ Urnen nun vor allem mit dem Ziel vorgenommen, ein möglichst umfangreiches Bild des weitläufigen Befundraumes in kurzer Zeit zu generieren.

Das Präparieren bzw. Freilegen der Urnen, aus dem sie umgebenen Löss, ist eine delikate und zeitaufwendige Maßnahme.


Entdecken und Freilegen einer im Block geborgenen Urne.
© RUB, Katharina Fröhlich

Nach dem Freilegen aus dem Löss, wird die Keramik sorgfältig wissenschaftlich bearbeitet. Danach wird die Keramik abgebaut und nur noch der Leichenbrandkern verbleibt. Dieser wird in einer speziellen Bearbeitungsweise vom Sediment getrennt und dann zur weiterführenden Erforschung der anthropologischen Auswertung übergeben.

Dort wird eine erste grundsätzliche Untersuchung des Leichenbrandes zur Bestimmung des Alters und Geschlechts durchgeführt. In einem späteren Schritt werden die Knochenfragmente einer mikroskopischen Untersuchung unterzogen, um weiterführende Erkenntnisse, wie Paläopathologien, gewinnen zu können. Durch die Arbeit mit dem Leichenbrand lassen sich auch Rückschlüsse auf archäotechnologische Fragestellungen, z.B. nach der Entwicklung des Scheiterhaufenbaus, finden.



Schlämmarbeiten an den Urneninhalten durch Katharina Fröhlich
© Ihab al-Oumaoui

Sorgfältige Trennung des Leichenbrandes vom Sediment.
© Ihab al-Oumaoui

Leichenbrand als Resultat der Schlämmarbeiten.
© Ihab al-Oumaoui

Das bisherige Fundspektrum umfasst eine Vielzahl an Materialien, darunter: Bronze, Eisen, Blei, Keramik (Miniatur- und Beigefäße), Organik (Holzkohle, Samen) und Glas, die ebenfalls interdisziplinär untersucht werden sollen. Eine Zusammenarbeit mit der Archäobotanik der Universität zu Köln und dem Restaurationsbüro des Landesmuseum Bonn ist bereits etabliert.



Funde aus dem metallzeitlichen Gräberfeld Inden-Pier.
© LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland

Urne 991.
© RUB, Katharina Fröhlich

Funeralkeramik aus Inden-Pier.
© LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland, Außenstelle Titz

In einer zeitnah angestrebten Masterarbeit soll eine erste Synthese aus archäologischem Fundgut und anthropologischer Auswertung entstehen. Dafür wird der nördliche Teilabschnitt des Gräberfeldes untersucht. Ziel ist es, Zusammenhänge zwischen den Bestatteten, ihrer Lage auf dem Gräberfeld zueinander und ihrer vermeintlichen Stellung innerhalb der Bestattungsgemeinschaft zu finden. Dazu soll auch auf die verwendete Funeralkeramik eingegangen werden.

Der Bestattungsplatz Inden-Pier stellt einen Höhepunkt der Ur- und Frühgeschichte im Rheinland dar und lässt sich hervorragend in den bekannten Raum einbinden. Trotzdem ist nicht abzuschätzen, welche Überraschungen die zahlreichen im Block schlummernden Brandbestattungen noch bereithalten.


Projektleitung

Prof. Dr. Thomas Stöllner
Professor für Ur- und Frühgeschichte
Institut für Archäologische Wissenschaften
Ruhr-Universität Bochum
Am Bergbaumuseum 31, 44791 Bochum
Raum: 0.3.1a
Tel: +49 (0)234 32-22546
Email: thomas.stoellner@rub.de oder thomas.stoellner@bergbaumuseum.de


Mitarbeiter:innen

Die anthropologische Auswertung übernimmt Dr. Ihab Al-Oumaoui.
Die archäologische Arbeit wird von Katharina Fröhlich, B.A. durchgeführt.


Kooperationspartner und Finanzielle Förderung

Seit 2022 wird dieses Projekt durch die Stiftung zur Förderung der Archäologie im Rheinischen Braunkohlerevier unter der Projektnummer 342 gefördert.