Ansprechpartner: Prof. Dr. Thomas Stöllner
Das aktuelle Forschungprojekt "Mining Regions of the Central Plateau" ist Teil des Schwerpunktprogramms "The Iranian Highlands - Resilience and Integration in Premodern Scocieties" (SPP 2176) der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
Das seit 2019 laufende Projekt baut auf das ebenfalls von der DFG geförderte "International Chehrabad Saltmummy & Saltmine Exploration Project" auf, an welchem das Institut für Archäologische Wissenschaften der RUB und das DBM zusammen mir weiteren Kooperationspartnern federführend beteiligt waren.
Aktuelle Projektphase: 2019-2025
Das iranische Hochland nimmt in verschiedenen Perioden der Kulturentwicklung eine bedeutende Rolle ein: Seine Gesellschaften stehen in engem Austausch mit den umliegenden Kulturräumen, zu denen sich immer wieder politische und wirtschaftliche Beziehungen entwickeln konnten. Wiederholt kommt es zu einer Intensivierung der Beziehungen aus Mesopotamien, Kaukasien oder Mittelasien, sei es durch Wirtschaftsverkehr, Zuwanderung oder politische Inklusion. Umgekehrt haben es die Gesellschaften des iranischen Hochlandes nicht weniger verstanden, diese Beziehungen in ihren eigenen Netzwerken zu integrieren, sie umzuformen oder sich ihnen gegenüber widerständig zu verhalten. Das Hochland und seine Hochlandakteure konnten so verschiedentlich eine prägende Rolle auf ihre Umfelder einnehmen und politische, ökonomische und soziale Wirkung entfalten. Die Landschaften, ihre Ressourcen und spezifischen Lebensbedingungen trugen zu dieser Entwicklung bei, dennoch sind die kulturellen, sozialen wie wirtschaftlichen Prozesse für verschiedene Perioden kaum im Detail untersucht, standen sie doch meist im Schatten einer „auswärtigen“ – beispielsweise mesopotamischen – Perspektive
Das Schwerpunktprogramm (SPP) versteht das iranische Hochland sensu lato als das zentrale iranische Plateau mit seinen Randgebirgen, dem Kopet Dag im Nordosten, dem Elburs im Norden, dem Zagros im Süden und Südwesten, sowie dem Urmia-See und Südkaukasus im Nordwesten.
Das SPP versucht die verschiedenen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Prozesse dieses Raums nach drei grundsätzlich beschreibbaren Bereichen, den Rohstoffregimen, den institutionellen Verhältnissen und der Mobilität seiner Bewohner nachzuzeichnen. Dabei werden sowohl die verschiedenen Formen von Krisenbewältigung und sozialer Widerständigkeit als auch die kulturelle Integrationsfähigkeit als tragende Elemente dieser Hochlandgesellschaften untersucht.
Die teilweise ariden Hochlandschaften des iranischen Zentralplateaus fallen – obschon durch Wasserarmut, Pastoralismus und oasenartige Gartenbausubsistenz geprägt – durch ihren enormen Reichtum an mineralischen, vor allem metallischen Rohstoffen auf. Diese haben, ausgelöst durch den spezifischen Rohstoffreichtum sehr spezifische Rohstoffregime hervorgebracht. Diese hatten vor allem in der Frühphase der metallurgischen Entwicklung im 5. und 4. Jt. v. Chr., zu Beginn der Eisenzeit, am Ende des 2. Jt. v. Chr., und wiederum während der archämenidischen und vor allem auch sassanidischen bis frühislamischen Perioden prägende wirtschaftliche und soziale Bedeutung. Dabei etablierten sich im Umfeld bedeutender Rohstoffquellen rural organisierte Siedlungs- und Subsistenzsysteme, die in enger Symbiose mit der Ausbeutung der wichtigen mineralischen Ressourcen standen. Dabei können unterschiedliche adaptive Systeme von Nordwesten entlang der ariden Wüstenzonen bis hin nach Kerman im Südosten Irans beobachtet werden.
Das Projekt möchte neben der Rohstoffgewinnung selbst auch die spezifischen sozialen und wirtschaftlichen Konzepte im Umfeld von Kupfer-, Salz-, und Blei-/Silber-/Zinklagerstätten erforschen und eine diachrone Perspektive für die Deutung der sozialen und wirtschaftlichen Prozesse in den Hochlandgesellschaften erarbeiten.
Neben der Salzlandschaft um das Salzbergwerk von Chehrabad sollen Montan- und Siedlungssysteme bei Shakin (nahe Takestan), im Umfeld der Kupfer- und Bleizinklagerstätten von Nakhlak und Baqoroq sowie im Bardsir-Tal südlich von Kerman mit der berühmten Fundstelle von Tall-i Iblis untersucht werden. Mit Hilfe von intensiven Surveys, kleineren Teilausgrabungen in Gruben sowie einzelnen Siedlungsgrabungen sollen Beispiele aus vier Zeitscheiben (Chalkolithikum/Frühbronzezeit, achämenidische Zeit; sassanidische Zeit; frühe bis mittelislamische Zeit) untersucht und verglichen werden.
Im Zentrum des SPP 2176 stehen die unterschiedlichen „Highlandscapes“, die mit Hilfe eines interdisziplinär und diachron angelegten Ansatzes zwischen Archäologie, geowissenschaftlicher Archäometrie, Archäobiologie, Iranistik sowie Alter Geschichte und Altorientalistik untersucht werden sollen. Forschungsprojekte sollen die vielfältigen Lebenswelten herausarbeiten, wobei es darum geht, wie sich die für das iranische Hochland beobachtbare gesellschaftliche Resilienz in wirtschaftlichen, sprachlichen, und sozialen Mustern sowie in der Kraft zur politisch-sozialen Integration epochenspezifisch ausgeprägt hat. Dazu gehören auch Wissenstransfer und Austausch sowie Erinnerungskulturen in Sprache, Religion und Sachkultur.
Das SPP zielt darauf ab, die verschiedenen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Prozesse in drei Schwerpunktfeldern systematisch zu erfassen:
Weitere Informationen zum SPP 2176 finden sie HIER.
Vorhergehende Projektphase: 2010-
In dem iranischen Salzbergwerk Chehrabad, in der Provinz Zanjan, öffnet sich ein Fenster zum prähistorischen Bergbau: In den Jahren 1994, 2004 und 2005 entdeckten Arbeiter und Archäologen die Überreste von fünf mumifizierten Bergleuten, die bei einem Grubenunglück den Tod fanden. Die Katastrophe bedeutet für die Archäologie allerdings eine Sensation. Seit 2010 arbeitet ein internationales Team an der Erforschung dieses unter den Achämäniden (6.-4. Jahrhundert v. Chr.) und Sassaniden (4.-6. Jahrhundert n. Chr.) betriebenen Bergwerks.
Im Jahre 1994 traten bei Arbeiten zur kommerziellen Salzgewinnung in unmittelbarer Nähe zum Dorf Hamzehli, etwa 340 km nordwestlich von Teheran gelegen, die ersten sensationellen Zufallsfunde zutage: Unter ihnen befanden sich die mumifizierten Überreste menschlicher Körper. Eine Notgrabungskampagne begann im Jahr 2004, nachdem Arbeiter abermals Teile menschlicher Körper fanden. Der iranische Archäologe Abolfazl Aali erkannte den kulturhistorischen Wert des Ortes und setzte sich für eine Einstellung der kommerziellen Extraktion ein. Die archäologischen Tätigkeiten wurden im Jahr 2005 fortgesetzt. Sie ermöglichten eine Gliederung des antiken Abbaus in eine achämenidische, eine sassanidische, sowie eine islamische Phase.
Im Jahr 2010 startete ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) bewilligtes internationales Forschungsprojekt. Das Team umfasste neben ArchäologInnen der iranischen Bodendenkmalpflege und des Deutschen-Bergbau Museums Bochum ExpertInnen für Mumienforschung, Histologie und DNA-Forschung der Universität Zürich (Zentrum für Evolutionäre Medizin; Swiss Mummy Project), der Archäometrie der Universitäten Oxford und York sowie der Archäobotanik der Ruhr-Universität Bochum.
Gemeinsames Ziel war es, vor allem die 2004 bis 2005 erzielten Ergebnisse durch eine ergänzende Dokumentation, Kontrolle der Stratigrafie und Datierung zu überprüfen. Ferner haben wir ein Grabungs-GIS aufgebaut und die Forschungen mit einem Survey und einer umfangreichen Grabung ausgeweitet. In das Projekt eingebunden sind auch verschiedene Dissertationen und Masterarbeiten, die in einer Reihe monographischer Publikationen veröffentlicht werden sollen.
Zwischen den Talschaften von Hamzehli, Mehrabad und Chehrabad ragte eine Alterationszone aus der Ebene. Ein Teil dieser Zone besteht aus einem tektonisch noch immer aktiven Salzdiapir, dem „Douzlakh“ (azeri: „Salzort“). Der Salzdom besteht aus salinaren Gesteinen, insbesondere Gips, Ton und Steinsalz. Diese lagerten sich im Miozän ab und sind aufgrund der tektonischen Aktivität und der geringen Überdeckung sehr tagnah abbaubar. Die Steinsalzzüge sind in eine weiche und instabile Ton-Gipsmelange eingebettet; die Zusammensetzung des Salzes zeichnet sich durch seine hohe Reinheit aus, erkennbar an dem hohen Anteil farbloser, opaker bis transparenter Salzkristalle. Sie wurden auf der Südostseite des Berges durch den antiken Tiefbau gefördert. Die in den letzten Jahren durchgeführten 14C-Datierungen verschiedener Schichten bestätigten die bisherigen Datierungen und erlauben ein differenzierteres Bild der verschiedenen Abbauphasen.
Prof. Dr. Thomas Stöllner
Professor für Ur- und Frühgeschichte
Institut für Archäologische Wissenschaften
Ruhr-Universität Bochum
Am Bergbaumuseum 31, 44791 Bochum
Raum: 0.3.1a
Tel: +49 (0)234 32-22546
Email: thomas.stoellner@rub.de oder thomas.stoellner@bergbaumuseum.de
Personen:
Abolfazl Aali (Archaeological Museum of Zanjan, Iran), Natascha Bagherpour-Kashani (DBM), Nicole Boenke (RUB), Kristina Franke (DBM und RUB), Annette Hornschuch (DBM), Katja Kosczinski (DBM und RUB), Yahya Kouroshi (RUB), Marjan Mashkour (CNRS), Iman Mostafapour (DBM), Hande Özyarkent (DBM und RUB), Frank Rühli (Universität Zürich), Fabian Schapals (DBM und RUB), Nicolas Schimerl (DBM), Gero Steffens (DBM).
Institutionen:
Deutsches Bergbau-Museum Bochum, Iranian Centre for Archaeological Research (ICAR), Shiraz, Iran, Universität Zürich, Zentrum für Evolutionäre Medizin, Universität Oxford (RLAHA Oxford), Archäometrisches Forschungslabor, Universität York, Institut für Archäologie, Universität Teheran, Institut für Parasitologie und Mykologie, Iran, Universität Zanjan, Institut für Geomorphologie, Deutsches Archäologisches Institut, Euraisien, Außenstelle Teheran, Freie Universität Berlin
Fabian Schapals: "Studien zu frühem Erzbergbau in Iran – Bergbau – Landschaft – Artefakt".
Dissertationen:
Abolfazl Aali: "Chehr Abad Salt Mine: Archaeological Excavation in 2004-2005" (2019).
Natascha Bagherpour-Kashani: "Studies of Ancient Depositional Practices and Related Jewellery Finds based on the Discoveries at Veshnaveh: A Source for the History of Religion in Iran" (Ruhr-Universität Bochum 2011).
Masterarbeiten:
Katja Kosczinski: "Die Abbaugeräte im antiken Salzbergwerk von Douzlākh (Chehrābād, Zanjān, IR). Eine taphononomische und experimentelle Annäherung" (Ruhr-Universität Bochum 2019).
Fabian Schapals: "Stratigraphische und taphonomische Analyse des antiken Salzbergwerkes von Chehrabad, Iran" (Ruhr-Universität Bochum 2019).
Aydin Abar: "Pottery Assemblage of Chale Ghar Mine 1, Veshnaveh, Iran. Pottery and Local Ritual Performances" (Freie Universität Berlin 2008).