Ansprechpartner: Prof. Dr. Thomas Stöllner
Der Kaukasus war eines der bedeutendsten "Erzgebirge" der Alten Welt, speziell des Alten Orients. Als Land des "Goldenen Vlies" umfasst den Westteil Georgiens, die Kolchis, ein Synonym für den Goldreichtum in der Antike. Als erster "Metallurge" wurde Prometheus, der Gigant, von den Göttern an die Felsen des Kaukasus geschmiedet und bis heute ist der Archäologe überwältigt vom Metallreichtum der prähistorischen Fundkomplexe in dieser Region. Zu den Besonderheiten der Region gehören neben den reichen polymetallischen Lagerstätten vor allem auch der Goldreichtum der Antike. Aber schon am Beginn der Frühbronzezeit besaß das Edelmetall große ökonomische und gesellschaftliche Bedeutung. Die Erforschung der Kaukasus-Region durch die Bochumer Archäologie und Archäometallurgie begann bereits in den 1990er Jahre, kurz nach der Öffnung des eisernen Vorhangs. Mit der Ausstellung des DBM und des Archäologischen Zentrums in Tblissi „Georgien. Schätze aus dem Land des Goldenen Vlies“ im Jahr 2000/2001 konnte bereits eine große Schau zu dieser bedeutenden Kulturlandschaft gezeigt werden. Mit der Entdeckung des Goldbergwerkes von Sakdrissi, einem der ältesten bekannten Goldbergwerke der Menschheit, im Jahr 2004 wurde dann ein großes Forschungsprojekt ins Leben gerufen, das bis heute andauert.
Seitdem liegt der Fokus der Forschung im Rahmen unterschiedlicher Projekte und Projektphasen nicht nur auf dem Bergbau selbst, seinem Umfeld und der dazugehörigen Siedlungslandschaft, sondern öffnete sich in der aktuellen Projektphase zu einer Untersuchung der sozialen und wirtschaftlichen Praktiken im Südkaukasus vom späten 5. bis zum frühen 3. Jahrtausend v. Chr.
Aktuelle Projektphase: 2019 bis 2028 (geplant)
Südwestasien war während des späten Chalkolithikums durch eine zunehmende Veränderung der sozialen und wirtschaftlichen Schwerpunkte gekennzeichnet: Irgendwann zwischen dem 5. und 4. Jt. v. Chr. schien sich die ökonomische Dynamik vom fruchtbaren Halbmond, dem man viele Innovationen etwa im Bereich der Subsistenzstrategien und der Produktionsverfahren seit dem Neolithikum verdankte, in den Kaukasus verlagert zu haben. Es gab einen Aufschwung von Bergbau (Kupfer, Obsidian), extraktiver Metallurgie, doch auch einen Wandel in der Keramik-Produktion.
Der Südkaukasus zwischen dem späten 5. und frühen 3. Jt. v. Chr. steht im Mittelpunkt der Forschungsarbeiten dieses Projekts. In diesem Zeitraum erfuhren die Region und ihre Gesellschaften einen erheblichen Wandel, der mit der Entstehung des Kura-Araxes-Komplexes ab dem 35./34. Jh. v. Chr. zu einem kulturell eigenständigen und letztlich expansiven Phänomen führte, das zur Entwicklung des großräumigen transkaukasischen Netzwerks in Westasien führte (zum aktuellen Forschungsstand siehe Erstantrag). Im Südkaukasus selbst war dieser Prozess mit neuen Siedlungen in Rand- und Hochgebirgsregionen verbunden. Er war gekoppelt mit Ressourcenpraktiken, die vermutlich zur dauerhaften Nutzung von Weideflächen und zur verstärkten Ausbeutung von Bodenschätzen führten. Die schon bisher gewonnenen wirtschaftsarchäologischen Daten zeigen, dass die eher generalisierten und möglicherweise extensiven Ressourcenstrategien des 5. und frühen 4. Jt. v. Chr. mit der Frühbronzezeit spezialisierter wurden.
Die Projektziele der aktuellen Phase konzentrieren sich auf den Vergleich mehrerer montaner Tal- und Gebirgszonen im kleinen und im großen Kaukasus vor allem während der frühbronzezeitlichen Kura-Araxes Kultur. Dabei wird der Etablierung hochgelegener Siedlungs- und Wirtschaftscluster auf dem Javakheti-Plateau sowie im nordkaukasischen Khevshureti nachgegangen. Zugleich sind die Forschungen zum Ressourcenaustausch, zur Mobilität im Zuge der Herdhaltung und der Rohstoffgewinnung, zu den enger verbundenen Gemeinschaften und zu der genetischen Nähe zwischen einzelnen Siedlergruppen wie der Fragen der frühen Metallgewinnung bzw. der Obsidiangewinnung, den Ernährungsgrundlagen oder Frage nach der Nutzung und Entwicklung erster Wollschafrassen von zentraler Bedeutung. Die Fragen nach den wirtschaftlichen und sozialen Dynamiken zwischen einzelnen Regionen stehen somit im Zentrum des Projektes. Die Studie zielt auf interdisziplinäre Integration von Daten aus verschiedenen Untersuchungsfeldern (Archäologie, geowissenschaftliche Archäometrie, Genetik, Anthropologie, Archäozoologie, Isotopenforschung zur Mobilität und Ernährung). Es geht um ein Verständnis der verschiedenen Szenarien, die den Südkaukasus am Beginn der Frühbronzezeit so geprägt haben.
Vorhergehende Projektphasen: 2004 bis 2011, 2013 bis 2016 und 2017 bis 2019.
Die Entdeckung des Goldbergwerks von Sakdrissi (ca. 50 km südwestlich von Tiflis) stand im Zentrum dieses Projektes. Im Jahr 2004 konnte während eines Geländeaufenthaltes Holzkohle geborgen werden. Ihre Lage innerhalb der dort angetroffenen Schichtenfolge (Stratigrafie) datierte den Abbau in die Zeit um 3000 v.u.Z.. Weitere angefertigte Analysen bestätigen das Alter und damit in die Zeit der sogenannten Kura-Araxes-Kultur. Damit ist Sakdrissi das bisher älteste bekannte Goldbergwerk der Menschheit.
In mehreren weiteren Grabungskampagnen (2005, 2007-2013) konnte dieses Goldbergwerk weiter untersucht werden. Eingeschlossen waren auch umfangreiche Surveyarbeiten im Umfeld des Goldbergwerkes, galt es doch die Frage nach einer zugehörigen Siedlungslandschaft näher zu untersuchen.
Im Jahr 2007 entdeckten wir in Balitschi-Dzedzwebi eine der größten frühbronzezeitlichen Siedlungen im Kaukasus; Funde von Werkarealen belegen die Verarbeitung von Goldsand und weitere metallurgische Tätigkeiten. Die Forschungen wurden seit 2004 großzügig durch die Volkswagenstifung unterstützt und wurden in einer zweiten Projektphase bis 2011 und einer dritten Projektphase bis 2019 (Projekte: Gold in Georgien I-III) gefördert. Leider wurde die Lagerstätte von Sakdrissi ab Ende 2014 – trotz nationaler und internationaler Proteste – wieder in den Abbau genommen. Es ist heute zerstört. Wo früher ein urgeschichtliches Bergbaudenkmal war, klafft heute ein tiefes Loch.
Schwerpunkte des Projektes waren so neben den archäologischen und geowissenschaftlichen Geländearbeiten vor allem auch geochemische Laboruntersuchungen zur Herkunft des kaukasischen Goldes: Wir wollten herausfinden, welche ökonomische Bedeutung die Lagerstätte von Sakdrissi im 4. und 3. Jahrtausend v. Chr. gehabt hat. Zum Bergwerk wurde seit 2007 auch ein nahe liegendes Siedlungsplateau (Balitschi-Dzedzwebi) erforscht, das zahlreiche Ergebnisse zu verschiedenen Lebensbereichen der Goldmachergesellschaft der Zeit um 3000 erbrachte, etwa zu Aufbereitung und Weiterverarbeitung der Gold- und anderer Metallerze und zur Subsistenz und sozialen Organisation.
In dem Projekt arbeiteten deutsche und georgische Archäologen, Geowissenschaftler und Botaniker zusammen: Mit eingebunden war ein Wissenschaftleraustausch, der vor allem georgische Nachwuchswissenschaftler nach Deutschland führte. An der Ruhr-Universität wurden mehrere Dissertationen zur Archäologie und Archäometrie des Goldes abgeschlossen, so die Dissertationen von M. Jansen, M.A., von F. Klein, M.A. und von Ketewan Tamasaschwili, M.A. zum Goldbergwerk von Sakdrissi sowie zahlreiche Masterarbeiten. Frau Dr. Gambaschidze wird eine Habilitationsschrift über die älteren südkaukasischen Metallzeiten verfassen.
Prof. Dr. Thomas Stöllner
Professor für Ur- und Frühgeschichte
Institut für Archäologische Wissenschaften
Ruhr-Universität Bochum
Am Bergbaumuseum 31, 44791 Bochum
Raum: 0.3.1a
Tel: +49 (0)234 32-22546
Email: thomas.stoellner@rub.de oder thomas.stoellner@bergbaumuseum.de
Valérie Andrieu-Ponel (CNRS), Marie Balasse (CNRS), Michael Bode (DBM), Nicole Boenke (RUB), Lars Fehren-Schmitz (Universität Göttingen), Irina Gambaschidze (Georgisches Nationalmuseum, Tbilissi), Wolfgang Haak (MPI Jena), Caroline Hamom (CNRS), Andreas Hauptmann (DBM), Annette Hornschuch (DBM), Felix Klein (DBM), Sabine Klein (DBM und RUB), Catherine Kuzucuoglu (CNRS), David Lordkipanidze (Georgisches Nationalmuseum, Tbilissi), Catherine Marro (CNRS), Martin Schaich (Fa ArcTron), Sebastian Senczek (DBM), Gero Steffens (DBM), Margarete Tengberg (Université de Paris Sorbonne), Judith Thomalsky (DAI).
Dissertationen:
Anamarija Belošić: "The Late Bronze and Iron Age Settlement of Balitchi-Dzedzvebi in Georgia: Studies on the Pottery assemblages".
Giorgi Gogochuri: "Das Aragvi –Tal in der Bronzezeit".
Nino Otkhvani: "Die frühbronezeitliche Keramik aus der Siedlung von Balitschi-Dzedzvebi und aus dem Bergwerk von Sakdrissi" (cotutelle mit Universität Tiflis).
Dissertationen:
Ketewan Tamazashvili: "Prehistoric Mining Implements from Sadrisi Mining Complex" (Ruhr-Universität Bochum 2024).
Moritz Jansen: "Geochemie und Archäometallurgie des Goldes der Bronzezeit in Vorderasien" (Ruhr-Universität Bochum 2019).
Felix Klein: "The Early Bronze Age Gold Mine of Sakdrisi: Mining and Depositional Practice" (Ruhr-Universität Bochum 2019).
Masterarbeiten:
Miriam Skowronek: "Metallbearbeitung anhand von Tiegelfunden aus der frühbronzezeitlichen Siedlung von Dzedzwebi in Südostgeorgien" (Ruhr-Universität Bochum 2024).
Tobias Baldus: "Spätchalkolithische Siedlungsbefunde der Siedlung Dzedzwebi (IV,3) in Südostgeorgien" (Ruhr-Universität Bochum 2022).
Jacqueline Bungardt: "Obsidian in der chalkolithischen und frühbronzezeitlichen Siedlung von Balitschi-Dzedzwebi in Südostgeorgien: Versorgung und lithische Praxis" (Ruhr-Universität Bochum 2022).