Absprechpartnerin: Prof. Dr. Bärbel Morstadt
2022 wurde ein gemeinsames Forschungsprojekt von Meir Edrey (Universität Haifa) und Bärbel Morstadt (Ruhr-Universität Bochum) zu Mobilität, Infrastrukturen und Ressourcen der frühen Eisenzeit in der Levante begonnen (Abb. 1), das insbesondere auf eine bislang weitgehend unbekannte Stätte namens Khirbet es-Suwweida fokussierte.
Erwähnt wurde die Stätte erstmals 1908 von Eberhardt von Mülinen, der die Überreste einer Festung bemerkte, die er als Teil einer mittelalterlichen Burg identifizierte (Eberhard von Mülinen, Beiträge zur Kenntnis des Karmels, Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins 31,1908, 1-258). In den 1960er Jahren wurde sie von den israelischen Verteidigungsstreitkräften als Übungsplatz genutzt. In diesem Zuge wurden mit Hilfe mechanischer Werkzeuge Gräben ausgehoben, die einen Großteil der sichtbaren Überreste beschädigten, aber auch interessante Funde wie vollständige sog. Hippo-Jars erbrachten. In den 1970er Jahren wurde die Stätte von Ya'akov Olami untersucht; die Ergebnisse dieser Untersuchung wurden in den 1990er Jahren von Shlomo Sender und Eldad Oren aktualisiert und schließlich 2005 veröffentlicht (Ya'aqov Olami – Shlomo Sender – Eldad Oren, Map of Binyamina (48). Archaeological Survey of Israel. Jerusalem: Israel Antiquities Authority (2005). Sie fanden dort Keramik aus der eisenzeitlichen, persischen, hellenistischen, römischen und byzantinischen Zeit, identifizierten eine rechteckige Festung von 70 x 70 m und vier Türmen, und datierten sie in die Eisenzeit. 2020 berücksichtigte Eran Arie Khirbet es-Suwweida in seiner Studie über das Verhältnis zwischen Phönizien und das Nordreich Israel und stellte sie in einen Bezug zu Dor, Tel Mevorakh und Rosh Zayit (Eran Arie, Phoenicia and the Northern Kingdom of Israel: the archaeological evidence, in Barış Gür and Semra Dalkılıç [Hrsg.], A life Dedicated to Anatolian Prehistory: Festschrift for Jak Yakar [Ankara 2020] 1-19).
Welche Bedeutung Khirbet es-Suwweida jedoch zukommt, ist unklar, da zu viel unbekannt ist: Wie ist die genaue Datierung? Wie viele Besiedlungs- und Nutzungsphasen gab es? War es ein militärischer Stützpunkt oder ein befestigtes landwirtschaftliches Zentrum? Gab es angrenzende Siedlungstätigkeiten? Wie sah die Entwicklung des Ortes aus? Gab es eine kontinuierliche Nutzung? Gab es Zerstörungen?
© Meir Edrey
Abb. 2: Die früheisenzeitliche Phase.
© Meir Edrey
Abb. 3: Die hellenistische Phase.
© Meir Edrey
Abb. 4: Die römische Phase.
Mit einer finanziellen Förderung durch die German-Israeli-Foundation for Scientific Research and Development konnten archäologische Ausgrabungen im Jahr 2022 realisiert werden, die zwei wesentliche Phasen, nämlich eine früheisenzeitliche (Abb. 2) und eine hellenistische (Abb. 3), erbrachten sowie eine kleinere Nachnutzung in der römischen Vor- bzw. Frühkaiserzeit (Abb. 4). Es zeichnet sich jeweils eine monumentale Festung mit unerwartet massiven Mauern ab, die je nur wenige Jahrzehnte Bestand hatte und alsbald aufgegeben – nicht zerstört – worden war. Dabei erinnert sie auch im Fundmaterial an Horvat Rosh Zayit und Kabri. Dank einer Förderung durch das Institut für Archäologische Wissenschaften der Ruhr-Universität Bochum und das Leon Recanati Institute for Maritime Studies der Universität Haifa konnte unter Beteiligung von Studierenden eine Kampagne zur Absicherung der Ergebnisse durchgeführt werden, die zudem einen bedeutenden Eingangskomplex in Form eines Vierkammer-Tores zutage brachte.
Wir deuten Khirbet es-Suwweida in politischer und infrastruktureller Verbindung zu Tel Dor, möglicherweise als Festung im Hinterland, um einerseits als Militärposten und andererseits als landwirtschaftliches Verwaltungs- und Verteilungszentraum zu dienen. Erstaunlich ist dabei jedoch, dass die Festung selbst zwar ideal gelegen ist, jedoch abhängig von dem zeitgenössischen Umfeld ist und keine eigenständige Bedeutsamkeit innehatte. Analysen von Bodenproben und Rückständen in den Lagergefäßen, die derzeit im Labor des Deutschen Bergbau-Museums, Bochum, könnten Hinweise auf die dort eingelagerten Güter geben. Weitere archäologische Ausgrabungen könnten anhand der Innenbebauung den genauen Charakter besser fassen lassen. Ein Survey der Umgebung und ein Vergleich mit anderen Stätten könnte die landschaftlichen sowie sozio-politischen Gegebenheiten klären und eine Annäherung an die Frage bringen: wer baute je zu welchem Zweck diese massive Festung und warum wurde sie alsbald daraufhin nicht mehr benötigt.
Prof. Dr. Bärbel Morstadt
Apl. Professorin für Klassische Archäologie mit dem Schwerpunkt in der phönizischen Kultur
Klassische Archäologie
Institut für Archäologische Wissenschaften
Ruhr-Universität Bochum
Am Bergbaumuseum 31, 44791 Bochum
Raum: 0.3.5
Tel.: (0234) 32-22527
Mail: baerbel.morstadt@rub.de
Hanna Arndt, Lena Maria König und Conny Rexhausen
Die Ergebnisse befinden sich bereits im Druck/in der Veröffentlichung: