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Munigua, Spanien (Provinz Sevilla)


Untersuchungen eines potenziellen Wirtschaftsgebäudes in Munigua

Ansprechpartner: Dr. Axel Miß



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Lufbild Muniguas
© DAI/RUB, Foto: Marc Klauß

Munigua liegt in der römischen Provinz Baetica und wurde in flavischer Zeit in den Stand eines Munizipiums erhoben (municipium Flavium Muniguense). Obwohl die ummauerte Siedlungsfläche gerade einmal 4 ha beträgt, wird der munizipale Status Muniguas durch Gebäude öffentlichen Charakters unterstrichen. Zu diesen Komplexen zählen u. a. das Forum mit Curia und Basilika sowie das exponierte Terrassenheiligtum, das über der Siedlungsfläche thront.
Die Haus- und Werkstattbefunde sowie die Ergebnisse der Umlandsforschung bezeugen darüber hinaus eindrücklich die wirtschaftliche Potenz des Munizipiums. Hierbei stechen die Metallgewinnung und -verarbeitung (v. a. Kupfer und Eisen) sowie die Öl- und Weinproduktion signifikant hervor. Seine Blütezeit erlebte Munigua dabei im 2. Jh. n. Chr., verlor dann aber in den nachfolgenden Jahrhunderten sukzessive an Bedeutung. Bislang vereinzelte Funde und Befunde deuten an, dass es ab dem 8. Jh. n. Chr. zumindest eine sporadische islamische Neubesiedlung in Munigua gegeben hat.


Mit dem Pilotprojekt – das in Kooperation mit dem DAI Madrid durchgeführt wird – sollen die Kenntnisse zur Siedlungs- und Wirtschaftstopografie Muniguas erweitert werden. Den Ausgangspunkt hierzu bilden die Ergebnisse geophysikalischer Untersuchungen (Georadar) aus den Jahren 2013 und 2015 (Leitung: Thomas Schattner), die südlich des Zentrums im Areal zwischen der südöstlichen Toranlage und dem Forum durchgeführt wurden. Dort – unmittelbar einer der Hauptverkehrsachsen gelegen – zeichnet sich ein annähernd quadratischer Baukomplex von ca. 20 x 20 m ab, der von gleichmäßigen Räumen gesäumt wird, die sich um einen Innenhof gruppieren. In Symmetrie und Aufbau unterscheidet sich dieser Bau somit markant von den nachgewiesenen Wohn- und Werkstattgebäuden Muniguas, was für eine Funktion mit öffentlichem Charakter sprechen könnte. Eine unpublizierte kleine Testsondage aus dem Jahr 2015 unterstützt diese Annahme, da die Mauerstärke der dort freigelegten Außenmauern um ein Vielfaches stärker ausfällt als bei profanen Bauten.



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Phasenplan Muniguas mit geophysikalischer Prospektion von 2015
© DAI/RUB, Autor: Alexander Hoer & L. de Frutos

Aufgrund des postulierten Grundrisses und der Monumentalität des Gebäudes wurde die These formuliert, dass es sich bei dem Komplex um ein Macellum (Marktgebäude) handelt. Um die Macellum-Hypothese zu überprüfen, soll der Befund und das assoziierte Fundmaterial nun mittels systematischer Ausgrabungen erschlossen und hinsichtlich einer konkreten Funktionsbestimmung und chronologischen Einordnung analysiert werden.



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Rekonstruktion Muniguas mit Lage des Macellums
© DAI/RUB, Autor: Alexander Hoer & Helio Ruipérez

Aktivitäten und erste Ergebnisse der Kampagne 2024

Georadar

Vor Anlage der Grabungsschnitte wurde die Fläche in Kooperation mit Archäolog*innen der Universität Erlangen noch einmal geophysikalisch prospektiert. Besonders im zentralen Nordteil des vermeintlichen Macellum-Komplexes, der zuvor als Hof- oder Eingangsareal interpretiert wurde, zeigte sich überraschenderweise ein in seiner Ausrichtung vom vermeintlichen Macellum abweichender Befund. Deutlich erkennbar ist dabei eine mindestens dreigeteilte Struktur in Ost-West-Ausrichtung.


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Geophysikalische Prospektion 2024
© DAI/RUB, Autor: Alexander Hoer

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Erste Ergebnisse der geophysikalischen Analysen
© DAI/RUB, Autor: Marc Klauß, Fabian Gapp & Franziska Wanka

Grabung

Insgesamt wurden drei Grabungsschnitte angelegt. Der südöstlichste der drei Schnitte integriert dabei die unpublizierte Testsondage aus dem Jahr 2015. Hier bilden die massiven Mauerstrukturen (noch bis zu 1,30 m Höhe erhalten) eine Gebäudeecke aus, für dessen Setzung der anstehende Fels rund 1 m abgearbeitet wurde. In Richtung Süden fällt das Gelände dann stärker ab, weshalb für diese Gebäudeseite womöglich eine Zweigeschossigkeit diskutiert werden kann. Der bislang freigelegte Innenbereich war neben Asche- und Holzkohleresten fast vollständig mit Bau- und Dachziegeln verfüllt, bei denen es sich um verstürzte oder intentionell, zur Nivellierung eingebrachte Reste des ursprünglichen Baubestands handeln dürfte.


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Zenitales Drohnenbild des Grabungsareals
© DAI/RUB, Autor: Marc Klauß

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Detailfoto des Schnittes 471 im Südosten des Grabungsareals
© DAI/RUB, Autor: Alexander Hoer

Diese Situation massiver, mit ehemaligem Baumaterial durchsetzter Schichten zeigte sich auch im nordwestlichen und dem zentralen Grabungsschnitt. Im zentralen Schnitt liegt diesen Planierungsmaßnahmen unmittelbar ein Befund mit zweischaligen Außenmauern aus großen Steinen und römischem Spolienmaterial (u. a. opus caementicium-Brocken und das Fragment einer Statuenbasis) auf. Der Zwischenraum dieser Struktur ist mit einer durchgängigen Stein- und Ziegelpackung verfüllt. In der Ausrichtung (Ost-West) weicht dieser Befund dabei klar von der im südöstlichen Schnitt freigelegten Gebäudeecke ab und bestätigt somit die neuen Georadarmessungen der Universität Erlangen.


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Detailfoto des zentral im Grabungsareal gelegenen Schnittes 470
© DAI/RUB, Autor: Alexander Hoer

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Arabische Münzen (711-750 n. Chr.)
© DAI/RUB, Autor: Ana Mateos Orozco

Das keramische Material und insbesondere eine arabische Münze aus der Zeit von 711-750 n. Chr., die unmittelbar unterhalb der nördlichen Außenmauer des Gebäudes zwischen Planierungsschicht und Mauerfuß geborgen werden konnte, lassen den Bau in die bislang zumindest architektonisch in Munigua kaum greifbare islamische Phase datieren. Einige Indizien wie die Ost-West orientierte Bauweise und auch Bestattungen islamischer Tradition in der Nähe, könnten dafürsprechen, dass es sich bei dem Gebäude um eine frühe Moschee handelt. Zur Überprüfung dieser Hypothese bedarf es jedoch weiterer Forschung. Dies gilt auch für die Beantwortung der Fragestellungen in Bezug auf den potenziellen Wirtschaftsbau, weshalb die Arbeiten in den drei Grabungsschnitten im Frühjahr 2025 fortgesetzt werden.


Community Archaeology

Als Basis nutzte das Team den mit rund 10 km am nächsten zur Grabungsstätte gelegenen Ort Villanueva del Río y Minas. Bei diesem handelt es sich – wie auch bei Bochum – um einen Ort mit langer Bergbautradition, an dem bis in die 1970er Jahre Steinkohle abgebaut wurde. Zahlreiche Einwohner Villanuevas haben zudem an den seit 1956 in Munigua stattfindenden Ausgrabungen des DAI teilgenommen.


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Ansicht der Industrieanlagen in Villanueva Ríos y Minas
© DAI/RUB, Autor: Axel Miß

Neben ersten Schritten das neue Projekt vor Ort sichtbar zu machen und für unsere Forschung zu sensibilisieren, sollte über die direkte Kommunikation mit der lokalen Community zudem ein erster Eindruck gewonnen werden, welche Bedeutung und Wahrnehmung bezüglich der archäologischen Stätte Muniguas vorherrscht und welche Erwartungen und ggf. Mitwirkungspotenziale sich im Rahmen unseres Projekts ergeben könnten. Neben privaten Treffen fanden hierzu auch öffentliche Veranstaltungen etwa im Rahmen von Führungen in Munigua selbst, aber auch bei einem Vortrag in Villanueva statt. In Ergänzung zu den persönlichen Gesprächen wurde hierzu auch eine Online-Umfrage gestartet. Von großer Bedeutung war bei alledem der Kontakt zu einem ortsansässigen Verein (Asociación VRM 2020 Defensores del Patrimonio y la Cultura del municipio), der sich intensiv für den Erhalt und die Vermittlung des kulturellen Erbes Villanuevas und Muniguas stark macht.


A. Miß – A. Hoer – A. Mateos Orozco, Unearthing Transitions: The Discovery of an El-Andalus Building in Roman Munigua, 2025 (in Vorbereitung)


Projektleitung

Dr. Axel Miß (RUB)
Institut für Archäologische Wissenschaften
Ruhr-Universität Bochum
Am Bergbaumuseum 31, 44791 Bochum
Raum: 0.3.4
Tel.: (0234) 32-28546
Mail: axel.miss@rub.de

 

Dr. Alexander Hoer (DAI Madrid)


Teilnehmer*innen
Teilnehmende der Grabungskampagne im Sommer 2024:

Studierende
Damaris Axmann, Annika Brinkmann, Nils Koenen, Leonie Nolte, Eileen Sander, Bartosz Tkacz (alle RUB), Laura Zinn (Universität München)

Technik und Archäoinformatik
Marc Klauß (Wissenschaftlicher Mitarbeiter RUB)

Fundbearbeitung
Dr. Ana Mateos Orozco (Selbständige Archäologin)

Community Archaeology
Annkatrin Benz M.A. (Universität Bonn)

Geoprospektion (Universität Erlangen)
Fabian Gapp M.A., Franziska Wanka M.A.


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Gruppenbild der Grabungskampagne 2024

Kooperationspartner und finanzielle Förderung

Junta de Andalucía
Dr. Camino Fuertes Santos

Archäologischer Park Munigua
Joel Linares Moreno

Asociación VRM 2020 Defensores del Patrimonio y la Cultura del municipio


Social Media

Die Videorechte (Autor: Marc Klauß) liegen bei der Ruhr-Universität Bochum und dem Deutschen Archäologischen Institut Madrid.