NACH OBEN

Velia, Italien

Die Oststadt von Velia - Velia Città Orientale

Ansprechpartner: Prof. Dr. Jon Albers


Die griechische Apoikia Elea befindet sich in Kampanien, nahe dem heutigen Küstenort Ascea. Ursprünglich lag die Hafenstadt direkt am Meer; aufgrund von Verlandungen ist die tyrrhenische Küste heute jedoch ca. einen Kilometer entfernt. Die Stadt erstreckte sich über den Hügelrücken von Castellammare della Bruca. Nach diesem ist auch die mittelalterliche Burg benannt, die später auf der einstigen Akropolis errichtet wurde. Archäologisch erschlossen sind vor allem die Südstadt, die Akropolis mit der Senke zum Vignale, die Hügelkette mit Stadtbefestigungen und Kultplätzen sowie Teile einer östlichen Stadterweiterung.


Lupe
Luftbildaufnahme der Stätte

Die Gründung von Elea erfolgte im Kontext einer Reihe von Fluchtbewegungen griechischer Siedler, die ursprünglich aus Phokaia in Kleinasien stammten und aufgrund der persischen Invasion ihre Heimat aufgaben. In der Folge gründeten sie die Apoikia Alalia auf Korsika. Allerdings wurde auch diese Kolonie im Rahmen des Krieges gegen die Etrusker wieder aufgegeben. Schließlich fanden die Phokaier in Kampanien eine neue Ansiedlungsmöglichkeit, wo sie 540 v. Chr. Elea gründeten. Die bisherigen Untersuchungen zeigen, dass die griechischen Siedler keinen bereits bestehenden indigenen Siedlungsplatz übernahmen. Die ältesten Siedlungsspuren stammen erst aus der archaischen Zeit nach der Stadtgründung.

Die zu ihrer Zeit bedeutende Handelsstadt wird in literarischen Quellen mehrfach erwähnt: Im 4. Jh. v. Chr. nahm sie als Mitglied des Bundes der Italioten am Krieg gegen Dionysios von Syrakus teil. Später, während des ersten und zweiten Punischen Krieges, war Elea ein wichtiger und treuer Verbündeter Roms sowie ein bedeutender Flottenhafen. Neben griechischem und römischem Einfluss lässt sich ab dem 4. Jh. v. Chr. auch eine lukanische Präsenz in der Stadt anhand materieller Kulturgüter nachweisen.

In den Jahren 89/88 v. Chr. wurde Elea zu einem römischen Municipium erhoben und mit dem Bürgerrecht ausgestattet – seither war die Stadt unter dem Namen Velia bekannt. Berühmt wurde sie insbesondere durch die Philosophenschule der Eleaten, deren bedeutendste Vertreter Parmenides und Zenon waren.


Die archäologische Erforschung Velias setzte, ungeachtet der Prominenz der Stadt Prominenz als Geburtsstätte des Parmenides und der eleatischen Schule, vergleichsweise spät ein. Die frühesten systematischen Untersuchungen wurden erst 1927 unter der Leitung von Amedeo Maiuri durchgeführt, während die intensive wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Fundstätte sogar erst 1961 durch die Arbeiten von Mario Napoli begann.

Die frühen Forschungen konzentrierten sich zunächst auf die Akropolis, die vor ihrer Monumentalisierung in der ersten Hälfte des 5. Jhs. v. Chr. den ursprünglichen Siedlungskern bildete. Ein weiterer Schwerpunkt lag auf der Untersuchung der Stadtgrenzen, die besonders ab den 1970er Jahren von der österreichischen Mission intensiv erforscht wurde. Diese Arbeiten lieferten wertvolle Erkenntnisse sowohl zur Stadtentwicklung als auch zur Kulttopografie. In jüngerer Zeit wurden unter der Leitung von Friedrich Krinzinger und Verena Gassner die Forschungsschwerpunkte auf die Stadtmauern Velias, Teile der Wohnstatt sowie die Heiligtümer entlang des städtischen Höhenrückens erweitert. In den innenstädtischen Zonen der Stadt ist auch die Università degli Studi di Napoli "Frederico II" unter der Leitung von Luigi Cicala seit vielen Jahren tätig.

Ein besonderes Forschungsdesiderat stellt der Vignalehügel dar, der für gewöhnlich als Oststadt bezeichnet wird, obgleich der Hügel eigentlich das topografische Zentrum der Stadt bildet. Die in diesem Bereich nur in drei Zonen durchgeführten Untersuchungen sind teilweise dem schlechten Erhaltungszustand des am Hang liegenden Areals geschuldet. Viele Bauten sind hier hangabwärts gerutscht und der archäologische Befund insofern verloren. Nachgewiesen werden konnten einzelne Wohnhäuser und ein von der Südstadt abweichendes Straßen- und Kreuzungssystem, das sich den topografischen Bedingungen anpasst. Im nördlichen Bereich fanden sich Reste von Wohnbauten, während die Nutzung der südlichen und westlichen Zone der Oststadt bislang ungeklärt bleibt. Auch über die spätantike Nutzung dieses Stadtviertels, die sich aus dem Fundmaterial älterer Grabungen andeutet, konnten bisher keine gesicherten Aussagen getroffen werden. 

Trotz dieser zum Teil ausführlichen Einzeluntersuchungen fehlt bislang ein umfassender diachroner Überblick zur Stadtentwicklung Velias - besonders auf dem Vignalehügel. Im speziellen die Frage nach der genauen Ausdehnung und Organisation der archaischen Siedlung, die Entwicklung und Nutzung der Oststadt, der etwaige lukanische Einfluss sowie die spätantike Phase der Stadt bedürfen weiterer systematischer Forschung. 

Forschungsziel

Das Projekt „Velia – Città Orientale“ setzt genau an diesem Forschungsdesiderat an. Ziel ist es, eine Grundlage für einen diachronen Überblick zur Siedlungshistorie auf dem Vignalehügel zu gewinnen. Dabei sollen vor allem die bisher wenig erforschten Epochen, wie die lukanische Phase und die spätantike Nutzung, stärker in den Fokus rücken. Diese Zielsetzungen werden mithilfe einer Kombination verschiedener Methoden verfolgt. Mittels eines intramuralen Surveys und gezielter Grabungen in der Insula zwischen den Straßen QE4 und QED auf dem Vignalehügel – der sog. Oststadt – soll zunächst die Aussagekraft eines Surveys in einer innerstädtischen Hanglage geprüft werden. Dabei wird untersucht, inwiefern sich die letzten Nutzungsphasen dieses Areals durch diese nicht-invasive Methode rekonstruieren lassen.

Im feldarchäologischen Teil des Projekts liegt der Fokus auf der Bebauung dieses Stadtbereichs, der diachron hinsichtlich seines Erhaltungszustands und seiner Funktion untersucht werden soll. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Frage, wie dieses Areal genutzt wurde. Nach bisherigen Erkenntnissen handelt es sich um ein Wohngebiet, was jedoch bislang nur für die nördliche Zone des Vignalehügels belegt ist. Auch die genaue Nutzungszeit des Areals ist unsicher: Es wird von einer Besiedlung zwischen dem 5. Jh. v. Chr. und der spätrömischen Zeit ausgegangen, wobei dies für den gesamten Hügel nicht eindeutig nachgewiesen ist. Insbesondere bezüglich der frühen als auch der späten Phasen ist kaum mehr als das Fundmaterial bekannt. Um diese Fragen zu klären, wird im Rahmen des Projekts in mehreren Kampagnen ein Teil der Bebauung der Insula QE4/QED – die vermutlich Wohnbauten umfasst – schrittweise freigelegt und im Hinblick auf ihre Funktion sowie ihre unterschiedlichen Phasen untersucht.


Die Kampagne 2024

Grabung und Fundbearbeitung

Im Rahmen der ersten Kampagne 2024, die in Kooperation zwischen den Universitäten Bochum, Regensburg und Freiburg sowie dem Parco Archeologico di Paestum e Velia durchgeführt wurde, konnten bereits erste Ergebnisse erzielt werden. Um das Straßenraster im Bereich des Vignalehügels zu überprüfen und die historische Entwicklung des Areals nachvollziehen zu können, wurden zwei Grabungsschnitte im Hangbereich der Insula zwischen den Straßen QE4 und QED angelegt. Der 6 x 6 m große Schnitt 1 wurde in der vermuteten südöstlichen Ecke der Insula platziert, um sowohl Teile der nord-süd-verlaufenden Straße QE4 als auch der ost-west-verlaufenden Straße QED sowie die Außenwände einer potenziellen Bebauung freizulegen. Der langrechteckige, 3 x 7,5 m große Schnitt 2 wurde weiter nördlich angelegt und zielte auf die Untersuchung der östlichen Außenwände der Bebauung der Insula sowie ebenfalls auf die nord-süd-verlaufende Straße QE4 ab.

Bei den Grabungen konnten in beiden Schnitten bereits knapp unter der Grasnarbe das Straßenraster sowie die östlichen Außenmauern der Bebauung der Insula bestätigt werden. Aufgrund der Beschaffenheit der Mauern und verschiedener Spolien im Mauerwerk ist anzunehmen, dass es sich um ein spätes Mauerwerk handelt. Eine genaue Datierung ist aufgrund fehlender aussagekräftiger Funde bislang nicht möglich. Jedoch deutet alles auf ein spätrömisches oder spätantikes Gebäude hin, das sich am älteren Straßenraster der Stadt orientierte. Auch die nord-süd-verlaufende Straße konnte teilweise freigelegt werden. Der Großteil der Straße, die nach Süden abfällt, liegt jedoch noch unter einer kolluvialen Schuttschicht verborgen, die in zukünftigen Kampagnen weiter untersucht werden muss. In Schnitt 1 konnten darüber hinaus Innenwände und auch Binnenstrukturen des Komplexes dokumentiert werden. Die genaue Struktur, Organisation und Funktion des Gebäudes bedürfen jedoch weiterer Untersuchungen. In Schnitt 2 konnten hingegen bislang keine Innenwände nachgewiesen werden. Auffällig ist jedoch, dass hier die Außenmauer im Süden deutlich breiter wird und sich im Vergleich zur nördlichen Breite etwa verdoppelt.

Die Funde aus den einzelnen Schichten (US) der Schnitte zeigen eine starke Durchmischung hinsichtlich Gattungen, Typen, Formen und Chronologie. Das chronologische Spektrum reicht von spätarchaischen bis hin zu rezenten Funden. Besonders auffällig ist jedoch die Häufung von Materialien aus dem frühen Hellenismus und der hohen Kaiserzeit.


Lupe
Fuß eines Marmor-Louterions aus Schnitt 1
Survey

Lupe
Survey westlich der Ausgrabung mit einem 1 x 1 m Raster

Im Bereich der beiden Schnitte sowie westlich des Grabungsareals wurde parallel ein intramuraler Survey durchgeführt. Ziel dieser Untersuchung war es, zu prüfen, ob die Methode weitere Erkenntnisse über die antike Nutzung eines städtischen Hanggebiets liefern kann, die später mit den Ergebnissen der Grabung abgeglichen werden sollen. Um möglichst präzise Daten zu erhalten, wurde ein Raster von 1 x 1 Meter verwendet, in dem das gesammelte Material gezählt wurde. Obwohl die Analyse noch nicht abgeschlossen ist, konnte bereits ein breites Spektrum an Fundmaterial identifiziert werden, darunter Ziegel, Amphoren und Haushaltsgegenstände, die vorwiegend in die spätrömische Zeit datiert werden konnten.




Lupe
Team der Kampagne 2024
Projektleitung

Prof. Dr. Jon Albers
Professor für Klassische Archäologie mit dem Schwerpunkt Siedlungen und Landschaften im antiken Mittelmeerraum

Institut für Archäologische Wissenschaften
Ruhr-Universität Bochum
Am Bergbaumuseum 31, 44791 Bochum
Raum: 0.3.2
Tel.: (0234) 32-28528
Mail: jon.albers@rub.de

Priv.-Doz. Dr. Birgit Bergmann
Institut für Archäologische Wissenschaften
Abteilung für Klassische Archäologie
Universität Freiburg
Friedrichstraße 39 (Fahnenbergplatz)
D - 79098 Freiburg i. Br.
Tel.: 0761 - 203 3108
birgit.bergmann@archaelogoie.uni-freiburg.de


Projektteam
Fundbearbeitung

Dr. Kai Riehle
Universität Innsbruck/Tübingen

Technik, Archäoinformatik und Survey

Dr. Barbora Weissová
Barbora.weissova@gmail.com

Schnittleitungen Schnitt 1 & 2

 Birgit Bergmann (2024)


Teilnehmer*innen
2024

Sarah Blumenschein, Katrin Dorfner, Denitsa Koseva, Sophie Peintinger, Anna-Lisa Schneider, Timur Sipahi, Anja Wolf


Förderungen und Kooperationen