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Trier, Xanten und Sint Truiden, Deutschland und Belgien


Wiederverwendung römischer Dekorsteine für mittelalterliche Schmuckfußböden und Grabplatten

Ansprechpartnerin: Jun.-Prof. Dr. Vilma Ruppienė


Im Rahmen verschiedener Kooperationen wird die Wiederverwendung von römischen Natursteinen für mittelalterliche Schmuckfußböden und Grabplatten in Trier, Xanten und Sint Truiden (BE) erforscht und den Fragen der Datierung, der Art der Flächenmustern und der ursprünglichen Verwendungskontexten bzw. Herkunft der Dekorsteine nachgegangen.


Schmuckfußboden aus der spätromanischen Kapelle in der Kurie zur Eiche in Trier

Einer der untersuchten Schmuckfußböden befindet sich in der spätromanischen Kapelle in der Kurie zur Eiche (dendrochronologisch anhand dreier Dachstuhl-Kanthölzer auf 1199 datiert) im Bereich der Trierer Domimmunität und wird in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Lukas Clemens von der Universität Trier erforscht.


Im Sommer 2023 wurde diese Bodeninkrustationen mit den Studierenden der Archäologischen Wissenschaften der Ruhr-Universität Bochum zeichnerisch dokumentiert, kartiert und die verwendeten Natursteinsorten bestimmt. Dabei handelt es sich um zwei aus Platten verschiedener Form und Größe bestehende opus sectile-Böden: Der eine, 103 x 170 cm große, aus dreieckigen, rechteckigen und quadratischen Fliesen aufgebaute Bodenbelag befindet sich in der vorderen Mitte der Kapelle. Derer zweite, der größere opus sectile-Boden, liegt um eine Stufe erhöht im Chorquadrat und umgibt u-förmig an drei Seiten den Altar. Wie der erste besteht auch dieser Boden aus dreieckigen, quadratischen und rechteckigen Fliesen in verschiedenen Größen und aus diversen Steinsorten. Für beide Böden wurden mindestens 15 regionale und mediterrane Natursteinsorten verwendet. Ähnliche Sorten sind auch in verschiedenen römischen Bauten Triers bezeugt (Barbarathermen, Basilika, frühchristlicher Dom). Eines der Ziele der noch durchzuführenden Untersuchungen ist es, der Frage nach dem ursprünglichen Verwendungskontext des im Mittelalter recycelten Steinmaterials nachzugehen.



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Zeichnerische Dokumentation des opus sectile-Bodens in der Kurie zur Eiche (Trier) und die Bestimmung der Natursteinsorten.
© Vilma Ruppienė

Schmuckfußboden aus der Stiftkirche St. Victor in Xanten

Im Frühling 2022 wurde in Zusammenarbeit mit dem Geologen Dr. Roland Dreesen (Lummen, BE) der mittelalterliche Fußboden aus der Stiftkirche St. Victor in Xanten untersucht, der 1933 in einer Tiefe von ca. 45 cm unter dem heutige Fußbodenniveau im Chorbereich entdeckt worden war. Der Boden wird in die Jahre zwischen 1109 und 1128 datiert.



Der Schmuckboden hat eine Fläche von ca. 2,50 x 2,60 m und besteht aus einem zentralen Tesserae-Mosaikfeld (ca. 80 x 80 cm groß) und einem ihn umgebenden opus sectile-Belag. Die 16 das Mosaik umgebenden opus sectile-Felder bestehen aus verschiedenen Flächenmustern, die immer doppelt vorkommen: Das gleiche Muster findet sich spiegelverkehrt auf der gegenüberliegenden Seite. Diese Muster sind aus unterschiedlich großen Quadraten, Rechtecken, Dreiecken und Parallelogrammen aufgebaut und bestehen nachweislich aus mindestens elf verschiedenen Natursteinsorten. Überliefert sind sowohl regionale als auch mediterrane marmora, sowie Platten aus Ziegeln und Schiefer. Wie in Trier sind auch in Xanten alle im mittelalterlichen Schmuckfußboden verwendeten Steinsorten in verschiedenen römischen Bauwerken der Colonia Ulpia Traiana bezeugt (Hafentempel, die Großen Thermen, Forum, Kapitolium). Dies spricht dafür, dass das Material für den Fußboden der Stiftskirche St. Viktor im Mittelalter aus den Ruinen dieser antiken Stadt entnommen und für einen neuen Zweck wiederverwendet wurde, wenngleich auch nicht mehr nachvollzogen werden kann, in welchem römischen Bauwerk sie ursprünglich verbaut waren.


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Ausschnitt aus dem zentralen Mosaik des Schmuckfußbodens
© Vilma Ruppienė

Grabplatte des Abtes Wiric van Stapel in der Sint-Pieterskerk in Sint-Truiden, Belgien

Abt Wiric van Stapel wurde nach seinem Tod im Jahr 1180 in der spätromanischen Kirche der Benediktinerabtei Sint-Truiden aus dem 11. Jahrhundert unter einem aufwendigen opus sectile-Fußboden beigesetzt. Nach der Zerstörung der romanischen Abteikirche während der Französischen Revolution im Jahr 1797 wurde die opus-sectile-Ausstattung des Grabes in den Chor der kleinen spätromanischen Kirche Sint-Pieterskerk (im 19. Jh. stark restauriert) im Stadtteil St. Peter transferiert.


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Die spätromanischen Kirche Sint-Pieterskerk, Sint-Truiden, BE

Seit 2021 wird das Dekor dieser Grabplatte von Dr. Roland Dreesen (Lummen, Belgien) und Willem Driesen (Sint-Truiden, Belgien) in Zusammenarbeit mit Jun.-Prof. Dr. Vilma Ruppienė (RUB) materialkundlich und unter historischen Aspekten erforscht.

Wie die Untersuchungen zeigen, besteht der Schmuck der Grabplatte aus über 600 Platten aus verschiedenfarbigen Natursteinen regionaler und mediterraner Herkunft (ca. 20 verschiedene Sorten). Sie bilden ein einheitliches Flächenmuster aus kleinen Quadraten, Parallelogrammen und Rechtecken, welches auch im Boden der Stiftskirche aus St. Victor überliefert ist. Im Vergleich zu den Schmuckböden in Xanten und Trier ist das Steinmaterial dieser Grabplatte jedoch wesentlich vielfältiger und weist einige marmor-Sorten auf, die unter den Steinfunden aus dem römischen Nordwesten nur selten oder bisher noch gar nicht bezeugt sind.


Projektleitung

Jun.-Prof. Dr. Vilma Ruppienė
Professor für Klassische Archäologie mit dem Schwerpunkt Methoden der Archäometrie

Institut für Archäologische Wissenschaften
Ruhr-Universität Bochum
Am Bergbaumuseum 31, 44791 Bochum
Raum: 0.3.4
Tel.: (0234) 32-28546
Mail: Vilma.Ruppiene@ruhr-uni-bochum.de


Teilnehmer*innen
Teilnehmende in Trier:

Maryia Auseikava, Maximilian Speka und Stefan Ullrich

Teilnehmende in Xanten:

Joanna Lipinska


Kooperationspartner und finanzielle Förderung